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Projekte

Lackabzug Elsbachtal

Bedburg, 29.01.2008

Im August 2005 wurde ich von Herrn Dr. Schmauder, dem Kurator des Rheinischen Landesmuseums Bonn angerufen. In einem Gespräch mit der Betriebsleitung des Tagebaus Garzweiler habe er erfahren, dass wir im Tagebau Garzweiler Lackabzüge anfertigen. Seine konkrete Frage war, ob wir Erfahrung mit der Abbildung größerer Flächen hätten? Im anschließenden Gespräch informierte er mich über die geplante Ausstellung zum 150. Jahrestags des Fundes des Neandertalers "Roots 2006 Wurzeln der Menschheit" und die Idee, dort einen großen Lackabzug aus dem sog. Elsbachtal auszustellen.

"Aber ja doch, wir haben sogar schon Lackabzüge der Größe 2 x 1,5 m geborgen" war meine Antwort. Etwas größer habe er sich das Stück schon gedacht, so etwa 8 x 12 m! Darauf hin habe ich nur gelacht und mich innerlich gefragt, ob das wohl ernst gemeint war? 12 m ist exakt die Breite meiner Doppelhausfassade, die allerdings die Höhe von 8 m nicht erreicht! Ein Lackabzug in 8 x 12 m Größe!? Wieder musste ich lachen. "Ist Ihnen bewusst, wie groß 8 x 12m sind? Richtig große Lackabzüge, die mir persönlich oder von Fotos her bekannt sind, liegen in der Größenordnung von 4 x 4 m oder auch bei 3 x 6m - aber 8 x 12m, dass gibt´s doch gar nicht."

Es war ernst gemeint!

Eine Woche später haben wir uns, zusammen mit einem Bodenkundler der Uni-Düsseldorf und dem Grabungsteam der Außenstelle Titz des Landschaft Verbands Rheinland (LVR), vor Ort getroffen und uns die vom Schaufelradbagger freigelegte Böschung auf der 1. Sohle im Nordfeld des Tagebaus Garzweiler angeschaut. Eigentliches Objekt der Begierde war das dunkelbraune Band eines eemzeitlichen Bodens, der auf ca. 117.000 Jahre datiert ist. In der Frühzeit des Neandertalers war diese Schicht die Geländeoberfläche und im Laufe der vergangenen Jahrtausende hat sich darüber eine etwa 8m mächtige Sedimentschicht abgelagert.

Nach kurzer Rücksprache mit meinem Kollegen Jürgen Bläser, habe ich dann zugesagt, bis Ende Mai 2006 die gepl. 96 Kacheln (von jeweils 1 m² Größe) im Rheinischen Landesmuseum Bonn abzuliefern. Da die verwendeten Materialien noch besorgt werden mussten (die benötigten Mengen führten teilweise zu Lieferschwierigkeiten), das Winterhalbjahr vor der Tür stand und wir diesen Arbeiten außerhalb unserer regulären Arbeit in der Tagebauplanung durchführen sollten, erschien uns die Zeit bis dahin nicht zu üppig bemessen - was sich auch während des ganzen Projektes bewahrheiten sollte.

Die Arbeiten am größten Lackabzug in der Geo-Geschichte konnten beginnen!

Startschuss war das Freilegen der gesamten Arbeitsböschung durch einen Baustellenbagger. In einem Winkel von ca. 60° zur Horizontalen wurde die Böschung möglichst glatt abgezogen und zum ersten Mal wurde die gesamte Fläche in ihrer ganzen Aussagekraft sichtbar. Nach einer Besprechung mit dem Rheinischen Landesmuseum Bonn wurde dann unten links der Anfangspunkt des Lackabzugs festgelegt und in der folgenden Woche sollten die ersten Arbeiten beginnen. Hierzu waren der WDR Köln und ein Fotograf der RWE Power Presseabteilung eingeladen.
Der Baggerführer hatte perfekte Arbeit geleistet! Der Neigungswinkel war genau eingehalten und die Fläche glatt wie ein Spiegel. Wir, Jürgen Bläser und ich, haben uns diese riesige, glatte Böschung am nächsten Tag von allen Seiten angeschaut und erst einmal auf uns einwirken lassen; an diese Ausmaße mussten wir uns wirklich gewöhnen. Unsere über 100 Lackabzüge, die wir im Tagebau Garzweiler seit 2001 angefertigt haben, waren üblicher Weise 60 x 80 cm groß und nun - eine ganze Wand von erschreckender Dimension.

Wir hatten uns entschieden, das Gesamtprojekt in 8 Reihen zu 1 m Höhe und 12 m Länge zu unterteilen. Vor dem Lackauftrag musste die vom Bagger erstellte Fläche leicht aufgerauht werden, um Feinstrukturen detailliert wiederzugeben und um die Kontaktfläche des Lacks zum Boden zu vergrößern. Für diesen Arbeitsschritt benötigten die Grabungsprofis des LVR ca. 1 - 2 Std. Von oben betrachtet erschien uns die Wand noch größer und steiler als vom Böschungsfuß her gesehen. Nachdem der Lack aufgetragen war, musste eine erste Trocknungszeit von ca. 24 St. eingehalten werden.
Der große Moment! Unter den kritischen Augen eines WDR-Kamerateams, des Rheinischen Landesmuseums Bonn und der RWE Power Presseabteilung wurde am nächsten Tag der 1. Lackabzug aus der Böschung gelöst. Bis zu diesem Moment hatten auch wir keine exakte Vorstellung vom Aussehen des fertigen Stücks. Da der Lack in die einzelnen Bodenschichten und Feinstrukturen unterschiedlich tief eindringt, ist es immer wieder eine Überraschung, wie profiliert die Sedimente wiedergegeben werden. Die gehärtete Bodenschicht des Gesamtprofils hat beim fertigen Lackabzug eine Dicke von 2 bis 35 mm.

Zum Schutz des Profils vor der nasskalten Witterung der kommenden Wochen hat uns die Tagebauleitung ein Schutzdach spendiert! So konnten wir, außer bei Frost, wetterunabhängig arbeiten. Die ganze Gerüstkonstruktion war schon aus zwei Kilometern Entfernung zu sehen und manch ein Besucher des Tagebau-Aussichtspunktes südl. der Gemeinde Jüchen fühlte sich an ein Werk von Christo und Jeanne-Claude erinnert. Diesen Anblick hätte sich sicher kein Neandertaler erträumt - und wir vor einigen Wochen auch noch nicht.
Wegen des frühen Wintereinbruchs im November kamen wir wochenlang nicht zur Weiterführung der Arbeiten. Üblicher Weise fertigen wir unsere Lackabzüge bei schönem Wetter im Sommer an. Deshalb hatten wir keine Erfahrung, wie der Speziallack bei Temperaturen unter Null mit dem feuchten Boden reagieren würde und der Drang dieses Rätsel zu lösen, hielt sich sehr in Grenzen. Kurz vor Weihnachten aber waren die ersten 4 Reihen des Auftrages geschafft und zur Feier der Halbzeit wurde ein großer Pressetermin anberaumt.

15 Journalisten aus Presse, Hörfunk und Fernsehen fanden den Weg ins Elsbachtal! Wir und die Kollegen vom LVR hielten jeweils eine kurze Einführung zum Thema: "150 Jahre Fund des Neandertalers" und "Lackabzug in Übergröße" und demonstrierten unsere Kunst. Nach knapp 3 Std. war die ganze Aktion vorüber und im Laufe des Tages wurde in Radio- und Fernsehnachrichten ausgiebig über unser Projekt berichtet. Die Tages- und Wochenzeitungen folgten entsprechend und brachten es in Summe auf eine Auflage von über. 3 Mio. Exemplaren - wir waren plötzlich bekannt wie die sprichwörtlichen bunten Hunde.
Nach dem wohlverdienten Weihnachtsurlaub ging es in der dritten Januarwoche 2006 weiter. Wir waren der festen Überzeugung nun schon fast zum Endspurt anzusetzen! Aber: Es gab nur drei frostfreie Tage - die fünfte Reihe war geschafft - und anschließend lähmte Ostwind mit arktischen Temperaturen für über drei Wochen jeden Fortschritt unserer Arbeiten, so dass es erst Mitte Februar weiterging.

Endlich ging es weiter. Nachdem die tonnenschweren Eisblöcke auf dem Gerüstdach sich endlich wieder in Regenwasser verwandelt hatten, konnten wir die sechste Reihe des Großprojektes in Angriff nehmen. Beim Abziehen aus der Wand zeigte sich auf Kachel Nr. 64 (Foto siehe im Gesamtbild) eine etwa Handteller große wabenartige Struktur, die uns sofort an das Innenleben eines Knochen erinnerte! Sollte das nun doch noch ein archäologisch interessanter Fund sein? Eine abschließende Bewertung des Stücks steht z. Zt. noch aus.
Da "unser" Bagger zu archäologischen Ausgrabungen im Vorfeld des Tagebau Garzweiler eingesetzt werden musste, haben wir zur Bergung der vorletzten Reihe eine Hilfskonstruktion aus Kellerbausteinen und Baudielen eingesetzt. Das war zwar etwas umständlicher und aufwändiger - aber die Arbeiten konnten zügig weitergehen! Vor Karneval und vor allem vor dem angekündigten Frost wollten wir die Sache in trockene Tücher gebracht haben. Bei den Restaurierungsarbeiten in unserer Geo-Werkstatt sind wir ja wetterunabhängig - aber die Aussicht, wegen Minusgraden wieder tagelang in Zeitverzug zu geraten, beflügelte uns doch sehr.

Welch ein Tag! Weiberfastnacht 2006! Für jeden echten Rheinländer zwar einer der höchsten Feiertage im Jahr, aber da der Wetterbericht für die nächsten Tage wieder Frost versprochen hatte, musste die letzte Reihe von der Wand genommen werden. Zur Feier des Tages hatten einige "Augenzeugen" ihren Besuch angekündigt und so war die Stimmung prächtig: Neben Karnevalsmusik aus dem Weltempfänger gab es Sekt und Berliner und so ganz nebenbei wurde gegen Mittag Lackabzug Nr. 96 aus der Wand genommen

- G E S C H A F F T !

     

Der komplette Lackabzug setzt sich aus 96 Kacheln a 1 m² Größe zusammen!

Durch anklicken werden Ihnen einige Kacheln oder Ausschnitte davon vergrößert angezeigt.

Für Hilfe bei der Projektverwirklichung bedanke ich mich besonders bei:

sowie allen Anderen, die uns mit Rat und Tat und durch ihr Interesse am Projekt unterstützt haben.

 

Der komplette Lackabzug lagerte nun in unserer Geo-Werkstatt, damit er vollständig austrocknen konnte und event. Lösungsmittelrückstände verdunsteten. Als Nächstes wurden nun einige kleine, lückenhafte Stellen restauriert und die später sichtbaren Kanten verkleidet.
     
     

Am 21.04.2006 führte die "Hugo Obermaier-Gesellschaft für Erforschung des Eiszeitalters und der Steinzeit e.V." im Rahmen ihrer 48. Tagung eine Exkursion zum Lössprofil im Elsbachtal durch. Die Sedimentabfolge wurde durch H. Prof. Dr. Schirmer und H. Dr. Kels (beide Abtlg. Geologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) ausführlich erläutert und über 70 Exkursionsteilnehmer diskutierten anschließend über die neusten Forschungsergebnisse z. B. im Hinblick auf die Altersbestimmung dieser Bodenschichten.
     
     
Die Arbeiten in unserer Geo-Werkstatt haben nun, nach den Osterferien, begonnen.
     
In einem ersten Schritt haben wir an den Lackabzügen, die später im Gesamtbild den äußeren Rand bilden, die Kanten verkleidet. Im linken Bild erkennen Sie noch den Schichtaufbau aus Trägerplatte, Armierungsgewebe und Bodenpräparat. Rechts ist die linke Hälfte gerade frisch verkleidet. Dieser Schritt dient der Verschönerung und bietet gleichzeitig einen gewissen Schutz vor Stößen.

     
Auf einigen Einzelkacheln waren kleine Fehlstellen zu erkennen, was bei der Erstellung von Lackabzügen ein übliches "Problem" darstellt. Diese kahlen Stellen können entstehen, wenn der Lack z. B. auf Grund von Unebenheiten in der Böschungswand, nicht mit dem Sediment in Kontakt gekommen ist oder sich beim Lackauftrag eine Luftblase bildete.

 

Außerdem kann es vorkommen, dass Steine, welche im Sediment lagern, bei der Bergung des Lackabzugs nicht genügend anhaften. Dadurch entstehen leere Stellen, auf denen weder der Stein noch das Sediment zur Abbildung gelangen. In beiden Fällen haben wir diese Stellen mit dem Originalsediment ergänzt, bzw. die fehlenden Steine nach Fotos in ihrer Ursprungslage eingepasst.

 

   

Am 19. Mai war es dann soweit: Ein LKW des Rheinischen Landesmuseums Bonn fuhr vor und brachte den gesamten Lackabzug ins Museum. Jede Reihe hatten wir auf eine eigene Euro-Palette gestapelt und dem Ganzen einen "Verlegeplan" beigelegt. Die örtliche Presse (NGZ vom 20.05.2006) berichtete mit einem großen Zeitungsartikel über die Aktion und wir sind nun mächtig gespannt, wie sich das Gesamtwerk in der Ausstellung präsentieren wird.

Ab Ende Mai werden Mitarbeiter des Museums das Gute Stück in den Ausstellungsräumen zusammenbauen.

Anfang Juni - der mit Spannung erwartete Tag: Wie sieht das fertige Gesamt(kunst)werk im Museum aus? Nach einem kurzen Gang durch die noch leeren Ausstellungsflure, bogen wir um die Ecke einer Zwischenwand und auf der anderen Seite - "unser" Lackabzug! Er war einfach überwältigend: Groß und bunt und im Museumslicht mit übergreifenden Bodenstrukturen, die uns auf den Einzelkacheln noch gar nicht aufgefallen waren! Wie ein überdimensionaler Wandteppich hing er in warmen Erdfarben von der Decke herab und zeigt die letzten 120.000 Jahre Erdgeschichte unserer Heimat! Alle "Schlammschlachten" und "Frostbeulen" im Elsbachtal, über die wir auf der Hinfahrt noch geredet hatten, waren augenblicklich vergessen: Der Aufwand der letzten Monate hat sich gelohnt!

Wenn das kein Anlass zum Feiern war!?

Während das Nationalteam der Niederlande mit einem 2:1 das Aus von WM-Neuling Elfenbeinküste besiegelte, feierten wir den (vorläufigen) Abschluss des Projektes Elsbachtal. Da unsere Ehefrauen in den letzten Wochen doch ein wenig unter den Worten "Elsbachtal" und "Neandertaler" gelitten hatten, bedankten wir uns bei ihnen mit einem ausgiebigen Abendessen.

     

Zu sehen war der fertige Lackabzug im Rahmen der Ausstellung "Roots 2006 // Wurzeln der Menschheit",

die vom 08.07.-19.11.2006 im Rheinischen Landesmuseum Bonn präsentiert wurde.

 

Nach der Ausstellung wurde er in mehr oder weniger große Stücke aufgeteilt und an verschiedene Interessenten als Dauerleihgabe abgegeben:

 

Der größte Ausschnitt (8 x 3 m) befindet sich im Vortragssaal des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen, De-Greiff-Str. 195, 47803 Krefeld; das Exponat kann dort besichtigt werden.

 

 

Eine CD-ROM , mit über 100 Fotos und weiterem, umfangreichen Info-Material zum Gesamtprojekt können Sie gerne bei mir (siehe Kontakt) bestellen. Der Preis hierfür beträgt nur 5 Euro, incl. Schutzgebühr, Porto und Verpackung.

 

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